Denkanstoß 22 – Das Leben geht weiter

Es ist etwas geschehen, dass uns unsere Endlichkeit brutal vor Augen geführt hat. Hunderttausende Tote, ganze Landstriche in Sekunden dem Erdboden gleich gemacht. Vermisste Angehörige, vernichtete Existenzen. Millionenfaches Leid, das keinen Unterschied zwischen Touristen und Einheimischen, Armen und Reichen gemacht hat.

Wir moderne Menschen verdrängen den Tod, glauben, unser Leben im Griff zu haben. Wenn wir frieren, drehen wir die Heizung auf, wenn wir im Auto schwitzen, stellen wir die Klimaanlage an und finden das so selbstverständlich wie unseren Espresso, der dampfend aus der Lavazza träufelt. Bis der Tod plötzlich in unser Leben tritt.

Memento mori – bedenke, dass du sterblich bist. Jeder Tag ist ein Geschenk. Die Katastrophe in Südostasien hat uns vor Augen geführt, dass sich der Tod nicht immer ankündigt. Er trifft nicht nur alte Menschen, die krank sind und deren Angehörige sich auf den Abschied vorbereiten können. Manchmal kommt der Tod ganz plötzlich. Dagegen können wir nur wenig tun. Wir können nur versuchen, unsere Tage so bewusst wie möglich zu leben.
Ein Urlaubstag unter Palmen, mit den Füßen im Sand, der Sonne im Gesicht und mit dem Blick auf das weite schöne Meer. Die Urlauber in Thailand, Sumatra oder auf Sri Lanka wollten abschalten vom Alltag und waren geflüchtet aus den winterkalten Städten. Die Einheimischen kümmerten sich um die Touristen oder um ihren Fischfang. Dass ausgerechnet an diesem Ort zu dieser Zeit eine Naturkatastrophe unsere Welt aus den Angeln hebt, war unvorstellbar.

Nun spenden wir viel Geld und drücken damit unsere Fassungslosigkeit und Anteilnahme aus. Aber wenn die letzte Spendengala gesendet ist, dann werden die Meldungen aus dem Katastrophengebiet ein Thema von vielen sein. Nur ein weiterer Bericht zwischen dem aus dem Irak, dem Kongo oder dem Gazastreifen? Uns muss bewusst sein, dass auch wir eines Tages sterben. Wir sollten unser Leben so intensiv wie möglich leben, denn niemand weiß, wann ihm die letzte Stunde geschlagen hat.

Das dürfen wir nie vergessen. Dieser Tage fokussiert die Berichterstattung den Wiederaufbau, Verhalten und Beweggründe von Politikern weltweit werden beurteilt. Auch wir sollten über unser Verhalten nachdenken. Wir sollten nicht vergessen, wie durch diese urplötzliche Katastrophe Menschen auf der ganzen Welt Anteil genommen und über politische, religiöse und kulturelle Grenzen hinweg geholfen haben. Daran sollten wir auch denken, wenn wir von den vielen anderen Krisenregionen hören. Wir sollten daran denken, wenn wir uns über Kleinigkeiten im Alltag ärgern und mit unserem Leben unzufrieden sind.

Aber wir sollten uns auch über jeden Tag freuen, den wir in Frieden und Gesundheit leben dürfen. Das habe ich mir für 2005 fest vorgenommen.

Bergisch Gladbach, im Januar 2005
Ihr Fritz Roth